Bild: Jürg Reber
Grenzerfahrung auf dem Balkan
Das Sharr-Gebirge an der Grenze zwischen dem Kosovo und Nordmazedonien hat hohes Potenzial für Skitouren. Zudem ergeben sich rund um Brezovica spannende Begegnungen mit Einheimischen.
«Wait in the right lane!», werde ich in barschem Ton vom hässigen Grenzbeamten angewiesen, nachdem er meinen Pass Seite für Seite durchgeblättert hat und beim kosovarischen und beim albanischen Stempel stehen geblieben ist und mich dabei mit scharfem Blick mustert. Es ist nach Mitternacht an der serbisch-kroatischen Grenze. Nach etwa zwei Stunden verfolge ich mit einer gewissen Anspannung, wie die Innenverkleidungen meines Autos abgeschraubt werden und mit Endoskopen in Hohlräume geschaut wird, von denen ich nicht einmal wusste, dass es sie überhaupt gibt. Beim Entladen meiner Ski werde ich gefragt, wo ich denn zum Skifahren hinwill. Als ich antworte, dass ich auf der Rückreise vom Skifahren im Kosovo bin, hellt sich die Miene des Grenzbeamten auf, und es folgt ein kurzer Wortwechsel in gebrochenem Englisch, der mit unser beiden Feststellung endet: «Brezovica, beautiful mountains!»
Wie schön die Berge zum Skitouren auf dem Balkan sind, können wir vor Aufbruch fast nur erahnen. Sehr spärlich sind die Informationen zu Routen und Gelände für die Region des Sharr-Gebirges, das das Ziel unserer Reise ist. Ein «New York Times»-Artikel, einige Impressionen aus der Google-Bildersuche, das wars. Doch auch ohne Karte – es soll angeblich russische Militärkarten geben – und mithilfe von Luftbildern und Google-Maps lässt sich das Potenzial erkennen. Über Facebook machen wir den Besitzer einer Pizzeria in Brezovica ausfindig. Er bestätigt aktuell gute Schneeverhältnisse, dann geht es los: eine zweitägige Fahrt über sechs Landesgrenzen hinweg nach Pristina im Kosovo, dem jüngsten Staat Europas.
Das Sharr-Gebirge erreicht Höhen bis zu 2500 Metern und zieht sich in West-Ost-Richtung der Grenze zwischen dem Kosovo und Nordmazedonien entlang. Ein guter Startpunkt für erste Erkundungstouren bietet das Skigebiet Brezovica. Wir haben Glück, und gleich der erste Tag präsentiert sich wolkenlos und windstill.